Das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union überarbeitet derzeit die EUR-Lex-Website und kündigt in seinem Newsletter an, dass es möglich sein wird, „Dokumente in bis zu drei Sprachen gleichzeitig und in verschiedenen Formaten“ anzeigen zu lassen. Das sind sehr schöne Aussichten, aber: Wenn die Textzerstückelung, die seit Neuestem bei der zweisprachigen Anzeige von EU-Dokumenten praktiziert wird, ein Vorgeschmack auf die Neugestaltung der EUR-Lex-Website sein sollte, dann möchte ich die liebe EU doch bitten, dieses Vorhaben noch einmal zu überdenken!
Was ist neu?
Bisher wurde jedes EU-Dokument auch in der zweisprachigen Anzeige in voller Länge auf einer Seite angezeigt. Doch seit kurzem werden längere Texte offensichtlich auf mehrere Einzelseiten verteilt, die nach Auskunft des EUR-Lex-Helpdesk jeweils rund 200 Absätze haben. Laut Helpdesk liegt der Grund einerseits in Problemen mit der Anzeige langer Texte auf der Nutzerseite und andererseits in der hohen Serverbelastung, also auf der Seite des Websitebetreibers. Von der Aufteilung langer zweisprachiger Texte sollen weniger als 10% der Dokumente betroffen sein (alle Auskünfte aus einer Mail des Helpdesk vom 30. November 2012).
Das Ausmaß der Probleme bei der Handhabung zerstückelter EU-Dokumente soll ein Beispiel aus meiner Übersetzungspraxis verdeutlichen. Vor kurzem musste ich für eine Übersetzung eine terminologische Frage in der EU-Richtlinie 2007/47/EG klären. Dieses EU-Dokument hat die Celex-Nummer 32007L0047 und kann über die 32007L0047-Überblicksseite in der zweisprachigen Anzeige aufgerufen werden.
Warum ist die neue Anzeige kaum zu gebrauchen?
Die zweisprachige Anzeige des Dokuments ist auf fünf Einzelseiten aufgeteilt. Die zweite Seite sieht beispielsweise so aus (der folgende Screenshot zeigt nur den Anfang, die volle Seitenabbildung kann durch einen Klick auf den Screenshot aufgerufen werden – alle grünen Markierungen sind von mir eingefügt):
Der Screenshot zeigt (leider) sehr schön, dass hier bei der zweispaltigen Anzeige die linke Spalte gegen die rechte verrutscht ist (Misalignment). Die Aufteilung des Textes auf mehrere Seiten erschwert in solchen Fällen die Orientierung im Text ungemein. Das Problem könnte ich normalerweise mit etwas Suchen auf der Gesamtseite recht leicht „korrigieren“, doch da sich das Misalignment nun über zwei verschiedene Webseiten hinzieht, ist die Sucherei sehr viel aufwendiger.
Ein zweites, generelles Problem besteht darin, dass ich bei der Suche auf der Webseite (mit Strg+F) nun nicht mehr alle Fundstellen eines gesuchten Ausdrucks im EU-Dokument angezeigt bekomme. Wenn ich nicht ganz genau oben hinschaue, dann entgeht mir, dass das EU-Dokument auf mehrere Anzeigeseiten aufgeteilt wurde (das ist mir schon passiert, obwohl ich mich als Rechercheprofi bezeichnen würde). Erschwerend kommt hier noch hinzu, dass die Pfeile zum Weiterblättern nur jeweils oben auf der Seite angezeigt werden, nicht jedoch am Ende der jeweiligen Einzelseiten.
Vor allem dieses zweite Problem entspricht bei einer „normalen“ Browsernutzung einer inhaltlich verkürzten Darstellung von EU-Dokumenten – diese Darstellung läuft damit ganz allgemein den berechtigten Erwartungen der Internetnutzer zuwider.
So bitte nicht!
Deshalb wiederhole ich meine Bitte: Wenn die Textzerstückelung, die seit Neuestem bei der zweisprachigen Anzeige von EU-Dokumenten praktiziert wird, ein Vorgeschmack auf die Neugestaltung der EUR-Lex-Website sein sollte, dann möchte ich dich, liebe EU, doch bitten, dieses Vorhaben noch einmal zu überdenken!
Wer sich dieser Bitte anschließen möchte, kann sich (in seiner Muttersprache) an das EUR-Lex-Helpdesk wenden.
3 Kommentare:
Ganz kurz als erste Reaktion: Ich habe das im neuen EUR-Lex am Beispiel des Zollkodex' getestet und bin nicht auf die Paginierung gestoßen. Es besteht also Hoffnung! Allerdings gibt es das Misalignment-Problem auch dort noch hier und da. :-(
That really looks like an interesting system - despite the drawbacks you mentioned. Good luck!
Habe ich mich so undeutlich ausgedrückt, EP?
Die Nachteile der Textzerstückelung sind so gravierend, dass das System in seiner derzeitigen Form nur sehr umständlich nutzbar ist. Das muss besser gelöst werden.
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