Vor gut zwei Wochen bat ich euch um die Beantwortung eines Fragebogens*, mit dem ich herausfinden wollte, warum ÜbersetzerInnen keine Blogs lesen. Bis gestern haben 146 KollegInnen an der Befragung teilgenommen – ganz herzlichen Dank für eure Mithilfe! Hier kommt nun die angekündigte Auswertung der Antworten.
Nicht-Leser und Kaum-Leser
Auf die Frage Liest du wirklich gar keine Blogs? antworteten 54 KollegInnen (37% der Befragten), dass sie überhaupt keine Blogs lesen, während 92 KollegInnen (63%) angaben, Blogs nur sehr unregelmäßig zu lesen.
Die wichtigsten Gründe, warum ÜbersetzerInnen keine Blogs lesen
Bei der Frage Warum liest du keine Blogs? waren mehrere Antworten möglich, wobei ich darum bat, höchstens drei Antworten anzukreuzen.
Die beliebtesten vorformulierten Antworten waren:
- Ich fühle mich durch Übersetzer-Mailinglisten (pt_, u-forum, ...) gut informiert. [73 Nennungen | 50%]
- Ich habe einfach keine Zeit für das Lesen zusätzlicher Fachlektüre. [71 Nennungen | 49%]
- Ich weiß nicht, wo und wie ich „gute“ Blogs finde, die meinen (Spezial-)Interessen entsprechen. [63 Nennungen | 43%]
- Ich fühle mich durch die regelmäßigen Publikationen von Berufsverbänden gut informiert. [45 Nennungen | 31%]
- Ich fühle mich über sonstige Social-Media-Kanäle (Twitter, Facebook, Google+, LinkedIn, XING etc.) gut informiert. [31 Nennungen | 21%]
- Ich finde das Verfolgen von Blogs mühsam, da ich keine bequeme Softwarelösung dafür kenne (Feed-Reader, E-Mail-Abonnement, ...). [29 Nennungen | 20%]
- Ich fühle mich durch die Teilnahme an Ü/D-Stammtischen gut informiert. [14 Nennungen | 10%]
- Ich finde das Lesen von Blogs am PC mühsam – es fehlt mir eine bequeme Hardwarelösung (Tablet, Smartphone, ...). [11 Nennungen | 8%]
Sonstige Gründe, warum ÜbersetzerInnen keine Blogs lesen
Außerdem gaben auch 26 ÜbersetzerInnen unter „Sonstiges“ individuelle Gründe an. Die meisten Antworten lassen sich drei Rubriken zuordnen:
- Blogs haben nicht die notwendige Qualität und/oder Relevanz.
- Blogs sind Teil einer als bedrohlich empfundenen Informationsflut und/oder das Lesen von Blogs erzeugt zusätzlichen Zeitdruck.
- Sonstige sonstige Gründe
Mangelnde Qualität und/oder Relevanz
Hier machten die Befragten unter anderem folgende Anmerkungen:
- Viele Blogs sind zu subjektiv und irrelevant.
- Noch mehr Informationsmüll? Nein danke!
- Die wenigen Blogs, die ich mal gelesen habe, waren mir zu sehr Selbstdarstellung der Autoren.
- Blogs sind qualitativ wie Kneipengespräche: verzichtbar. Warum liest man den Economist / die F.A.Z.: Die Filterfunktion des Verlags/der Redaktion sorgt für Verläßlichkeit und Relevanz.
- Gegenfrage: Warum sollte ich das Lesen? I.d.R. finde ich das extrem uninteressant …
- Ich finde, dass viel zu viele Kollegen die gleichen Themen aufgreifen und so präsentieren, als hätten sie eine zündende Idee gehabt, wie man sein Arbeitsleben erleichtern könnte. Die meisten Blogs von Kollegen sind Eigenwerbung und ich finde sehr wenig wirklich interessante Beiträge.
- Ich finde „verbale Ergüsse“ von Unbekannten völlig uninteressant! Ich lebe in der wirklichen Welt und habe damit genug zu tun …
- Blogs sind, wie die meisten „Social-Media“-Kanäle, einfach größtenteils unnötig und schlecht gemacht.
Informationsflut und/oder Zeitdruck
Hierzu führten die Befragten unter anderem aus:
- Würde ich Blogs lesen, würde ich das jeweilige Thema dort regelmäßig verfolgen wollen und dafür fehlt mir einfach die Zeit. Ich würde mir neuen Zeitdruck bauen, den ich nicht brauchen kann. Schade um das, was mir entgeht, doch bislang geht es mir mit dieser Entscheidung besser.
- Ich verbringe schon genug Zeit am PC und lese dann lieber auf Papier, außerdem man ist von Blogs überschüttet.
- Mich nerven Blogs und Co., und sie kosten viel zu viel Zeit. Ich bin zwar bei Facebook und Xing angemeldet, nutze diese jedoch so gut wie nie. Zu schade um die Zeit, zu viele Daten, die ich preisgeben muss…
- Ich finde Blogs durchaus interessant, sie sind aber - durch die weiterführenden Links - echte Zeitfresser (eine Frage meines persönlichen Zeitmanagements ...) Ich ziehe Beiträge in Mailinglisten vor, da dort eher eine kritische Diskussion möglich ist.
- Ich denke, dass wir alle an einem Informationssammeltick leiden! Frage mich auch, ob Blogs vielleicht nur eine weitere Form der Selbstdarstellung sind ... Weiß es nicht, finde aber, dass es auch noch anderes auf der Welt gibt, als ständig auf Infosuche zu sein.
- Ich fühle mich sowieso schon oft von der Informationsflut im Internet erschlagen, ich möchte mich nicht verzetteln, ich möchte mich auf meine Arbeit konzentrieren, ich habe nicht das Gefühl, dass in Blogs wichtige Informationen für mich stehen könnten. Ich nutze das alles nicht, allein der Gedanke macht mich schon nervös.
Sonstige sonstige Gründe
- Ich habe einfach keinen Bedarf.
- Ich ziehe es vor, MEHR in der reellen Welt zu leben, anstatt übermäßig in der virtuellen, des Web!
- Ich lese einfach nach wie vor lieber auf Papier oder auf meinem Kindle; ich besitze auch ein Smartphone, aber das Lesen darauf finde ich auch eher mühsam; es sollte Blogs als Hörbuch-Anwendung geben ...
- Nase voll vom Bildschirm
Weitere Social-Media-Kanäle als wichtige Informationsquellen für ÜbersetzerInnen
In der dritten Frage ging es um Twitter, Facebook und Co. Hier sollten die BefragungsteilnehmerInnen angeben, welche Social-Media-Kanäle sie nutzen (allerdings nur, wenn der/die Befragte bei Frage 2 angekreuzt hatte, dass er/sie sich über Social-Media-Kanäle gut informiert fühlt – diese Erläuterung fügte ich nachträglich in den Fragebogen ein, so dass vielleicht gut zehn ÜbersetzerInnen hier insofern „falsche“ Angaben machten, als sie entsprechende Social-Media-Kanäle ankreuzten, obwohl sie sie kaum aktiv nutzen). Auch hier waren mehrere Antworten möglich.
Gute Gründe für das Lesen von Blogs
Nachdem es hier um die Hemmnisse für den Blog-Konsum ging, noch eine persönliche Einschätzung: Meines Erachtens sprechen viele gute Gründe für das Lesen (und Schreiben) von Blogs! Um diese guten Gründe wird es im nächsten Blog-Artikel gehen.
* Die Ergebnisse möchte ich als Datenbasis für meinen Vortrag im Rahmen des Kurzseminars „Social Media – Vorstellung, Berichte und Erfahrungsaustausch zu Blog, Facebook, Twitter und Co.“ auf der 2. Internationalen Fachkonferenz „Übersetzen in die Zukunft“ nutzen.
2 Kommentare:
Lisa, vielen Dank für die ersten Ergebnisse deiner Umfrage. Ich werde am Seminar »Social Media« leider nicht teilnehmen können, da ich für diesen Zeitrahmen einen Workshop gebucht hatte.
Also, dass Blogs zur Informationsflut beitragen können, kann ich gut nachvollziehen – aber nicht, dass subjektive Blogeinträge irrelevant sind. Ich habe unheimlich viel gelernt bei bloggenden Kollegen, die von ihren Erfahrungen berichtet haben. Von einer Kollegin habe ich einmal den Tipp bekommen, wie man ein Buch mit null Kosten selbst veröffentlicht, was ich auch getan habe. Im Blog eines anderen Kollegen habe ich zahlreiche technische Lösungen für meine Arbeit mit CAT-Tools gelesen. Und von dir lerne ich immer wieder neue interessante Werkzeuge und Links, die meine Produktivität erhöhen. All das, weil es bloggende Übersetzer/innen gibt, die ihre eigenen ***subjektiven*** Erfahrungen erzählen, sei es mit CAT-Tools und Werkzeugen, sei es mit Kunden und Kollegen oder auch mit ihren eigenen Fachgebieten und ihrer eigenen Arbeitsmethodik. Man lernt nicht nur von Lehrbüchern, wissenschaftlichen Abhandlungen und Kursmaterialien!
Ich freue mich schon auf den zweiten Teil der Ergebnisse.
Ich fürchte, dass unsere
ÜbersetzerInnen (zumindest die "organisierten", die auch BDÜ-, ADÜ- usw. Mitglieder sind) den Blogs und auch Social Media gegenüber grundsätzlich wenig aufgeschlossen und eher negativ eingestellt sind. Als ich mich neulich in einer Diskussion im mein.bdue-Forum (Übersetzer als Unternehmer) dahingehend äußerte, dass, solange die BDÜ-Foren (auch die BDÜ-Gruppe auf Xing) für die Suchmaschinen nicht indexierbar bleiben (da https://), bleiben auch all die BDÜ-Marketinganstrengungen auf der Strecke. Die Mehrheit scheint das allerdings nicht wahrhaben zu wollen. Insofern bestätigen die Ergebnisse dieser Umfrage mein vages Gefühl. Ob die angekündigten guten Gründe für das Lesen (und Schreiben) von Blogs hier was ändern, wäre zu bezweifeln. Wenn die meisten mehr auf Risiken (fragt sich, welche?) als auf Chancen bedacht sind, können wir (diejenigen, die Blogs schreiben/lesen) da bestenfalls unsere eigenen Chancen sehen, aber etwas traurig ist es schon.
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