Warum lesen ÜbersetzerInnen (keine) Blogs? Ganz vereinfacht gesagt: Die BlogleserInnen möchten von den Erfahrungen der KollegInnen profitieren, ihren Horizont erweitern und Informationen erhalten, die auf anderen Kommunikationswegen nur schwer zugänglich sind – und sie haben auch noch Spaß dabei. Die NichtleserInnen dagegen lesen vor allem deshalb keine Blogs, weil sie sich durch andere Medien (auch Social Media) gut informiert fühlen, weil ihnen die Zeit fehlt oder weil sie nicht wissen, wo und wie sie interessante Blogs finden können.
Dies ergab eine Umfrage, die ich Ende August durchführte. Die Umfrage war in zwei Fragebogen aufgeteilt: einen Fragebogen für BlogleserInnen, der fünf Fragen umfasste, und einen Fragebogen für NichtleserInnen mit nur drei Fragen, um den Aufwand für die Befragten so gering wie möglich zu halten. Die Ergebnisse dienen als Datenbasis für meinen Anteil am Kurzseminar „Social Media – Vorstellung, Berichte und Erfahrungsaustausch zu Blog, Facebook, Twitter und Co.“ auf der 2. Internationalen Fachkonferenz „Übersetzen in die Zukunft“ in Berlin.
Endstand 146:61
Insgesamt haben 207 ÜbersetzerInnen an meiner Umfrage teilgenommen. Beide Fragebögen standen zwei Wochen zur Beantwortung offen. Das Zahlenverhältnis der Antworten von Blog-LeserInnen und -NichtleserInnen lässt vermuten, dass rund 30% der ÜbersetzerInnen Blogs lesen – als grober Schätzwert erscheint mir das durchaus plausibel.
Zeitaufwand für das Lesen von Blogs …
… bei den BlogleserInnen
Von den UmfrageteilnehmerInnen, die sich zu den BlogleserInnen zählen, gaben 31% an, wöchentlich rund eine Stunde lang Blogs zu lesen, bei weiteren 26% sind es zwei Stunden. Über die Hälfte der Umfrageteilnehmer wendet somit maximal 24 Minuten pro Arbeitstag für das Lesen von Blogs auf (unter Annahme einer Fünf-Tage-Woche).
Der Zeitaufwand für das Lesen von Blogs hält sich damit in Grenzen – zumal über die Hälfte der BlogleserInnen angeben, dass ihnen das Lesen von Blogs Spaß macht (56%) und/oder ihren Horizont erweitert (59%). Dies lässt darauf schließen, dass hier, wie bei vielen Social Media, die strikte Trennung zwischen beruflichen und privaten Interessen aufgeweicht ist.
… bei den NichtleserInnen
Hiermit zu vergleichen ist die Aussage der NichtleserInnen, einfach keine Zeit für das Lesen von Blogs zu haben (49%) (wobei in der Fragestellung unglücklicherweise von „zusätzlicher Fachlektüre“ die Rede war). In dieselbe Richtung weisen die Anmerkungen der NichtleserInnen, die Blogs als Teil einer als bedrohlich empfundenen Informationsflut sehen und/oder befürchten, dass das Lesen von Blogs zusätzlichen Zeitdruck erzeugt.
Technische Hemmnisse für das Lesen von Blogs …
… bei den BlogleserInnen
Bemerkenswert finde ich, dass die überwiegende Mehrheit der BlogleserInnen nur 1–5 Blogs regelmäßig verfolgt (34 Nennungen | 56%). Die genauere Auswertung der Angaben dieser WenigleserInnen zeigt, dass 24 von ihnen Blogs ohne ein besonderes Tool, also im Browser lesen – 17 sogar ausschließlich im Browser. Damit lässt sich festhalten, dass die Hälfte der WenigleserInnen keine zeitsparende Softwarelösung für das Verfolgen von Blogs (Feedreader, E-Mail-Abonnement und dergleichen) nutzt.
… bei den NichtleserInnen
Das mangelnde Wissen über zeitsparende Softwarelösungen wurde von 20% der NichtleserInnen als Hemmnis erkannt.
Ebenfalls hemmend wirkt das Fehlen einer bequemen Hardwarelösung wie Tablet, Smartphone etc. (8%). Dieser Aspekt wird meines Erachtens von den NichtleserInnen jedoch deutlich unterschätzt: 42% der BlogleserInnen verwenden ein Tablet oder Smartphone für das Lesen von Blogs [1].
Beurteilung der Qualität von Blogs
… durch die BlogleserInnen
48% lesen Blogs, weil sie die darin enthaltenen Informationen nirgendwo sonst (so bequem) finden können – meiner Meinung nach impliziert das, dass die BlogleserInnen diese Informationen auch als verlässlich erachten (denn sonst würden sie derartige Blogs ja nicht lesen oder die Informationen aus anderen Quellen beziehen). 10% lesen Blogs teilweise als Ersatz für den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen: auch hier ist eine hohe Qualität der Blogs Voraussetzung.
Interessant finde ich auch die Angabe eines Bloglesers/einer Blogleserin: „Ich lese/überfliege Blogs meiner Kunden, um in Bezug auf deren Aktivitäten auf dem Laufenden zu bleiben“ – auch hier sind die Informationen offensichtlich zuverlässig. (Hätte ich diesen Aspekt als Antwort vorformuliert, wären eventuell mehr Nennungen zu verzeichnen gewesen.)
… durch die NichtleserInnen
Im Gegensatz hierzu stehen die Aussagen der NichtleserInnen, Blogs hätten nicht die notwendige Qualität und/oder Relevanz. Der Qualitätseinwand ist sicherlich beachtenswert, da bei Blogs wie bei allen Social-Media-Kanälen die kritische Kompetenz des Lesers in der Regel stärker gefordert ist als bei herkömmlichen Medien, die sich bereits eine gewisse Qualitätsreputation erarbeitet haben. Die folgende Fragebogenantwort bringt dies gut zum Ausdruck: „Blogs sind qualitativ wie Kneipengespräche: verzichtbar. Warum liest man den Economist / die F.A.Z.: Die Filterfunktion des Verlags/der Redaktion sorgt für Verläßlichkeit und Relevanz.“
Für die BlogleserInnen stehen diesen Befürchtungen und Gefahren die Chancen gegenüber, die die Individualisierung der Massenkommunikation bietet.
[1] Obwohl bei dieser Frage zwei Antworten genannt werden konnten, dürfen hier ausnahmsweise die Prozentangaben für Tablet oder Smartphone mit Android-Betriebssystem (21%), mit iOS-Betriebssystem (18%) und mit sonstigem Betriebssystem (3%) aufaddiert werden, da kein einziger Befragter zwei verschiedene Tablet-/Smartphone-Arten angekreuzt hat.
2 Kommentare:
Hallo. Ich bin gespannt auf den Vortrag. Man sieht sich auf der Konferenz...
Gruß
Francisco
Ja, bin auch schon gespannt. (-:
Grüße
Lisa
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